Mittendrin
Mittendrin - Lernlandschaften Religion
Schulischer Unterricht ist ein dynamischer und wechselseitiger Lehr-Lern-Prozess. Das ist ganz sicher keine Innovation. Bereits Johann Amos Comenius (1592-1670), Begründer des protestantischen Bildungsideals, beschrieb das Verhältnis der Lehrkunst (Didaktik) zur Lernkunst (Mathetik) wie folgt: „Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen.“ Die Lehrenden müssen den Unterricht mit den Augen der Lernenden sehen. Allerdings zeigen die Erfahrungen des Alltags und auch empirische Studien, dass Lehrerinnen und Lehrer dazu neigen, den Lehr-Lern-Prozess ausschließlich aus ihrer Perspektive wahrzunehmen und ihn daher auf einen Lehr-Prozess zu reduzieren.
John Hattie z. B. hat mit seiner beeindruckenden Publikation Visible Learning das weite Feld der Unterrichtsforschung quasi über Nacht aufgemischt (vgl. Hattie 2008, 2013). Auf der Basis von 800 Metastudien, die sich summa summarum auf ca. 50.000 Einzelstudien beziehen, stellt er eine Liste jener Faktoren vor, die guten Unterricht befördern wie auch solche, die ihn verhindern. „Dabei berücksichtigt er methodisch und inhaltlich sowohl die Perspektive der Schülerinnen und Schüler als auch die der Lehrkräfte. Beide sieht Hattie als Lernende und Lehrende an (“I see learning through the eyes of my students.” “I help students to become their own teachers”). Diese aufeinander bezogene Interaktion bildet die Basis für „Visible teaching and learning”, dem das Unterrichtswerk verpflichtet ist.
Unterstützt wird dieses Konzept durch Einsichten aus den Neurowissenschaften und der Lernforschung, deren Berücksichtigung den Rahmen und die Qualität des Lernens entscheidend mitbestimmen (vgl. Spitzer 2001, Bauer 2007, Hüther 2010). Schulischer Unterricht ist immer und zuallererst ein kommunikatives Beziehungsgeschehen. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation mit ihren starken Individualisierungsprozessen sind verlässliche Beziehungen ein hohes Gut, das Kinder und Jugendliche mehr und mehr vermissen. Im Kontext des Lernens sind lebendige Beziehungen von fundamentaler Bedeutung. Professionelle Lehrerinnen und Lehrer leisten daher vor allem Beziehungsarbeit (vgl. Miller 2012). Ihr Unterrichtssetting werden sie nach Möglichkeit von positiven Emotionen bestimmt sein lassen, denn so lernt es sich besser. Jeder Mensch macht die Erfahrung, dass bereits geringe Entscheidungsspielräume Energien freisetzen. Wenn ich eigene Wege gehen kann, werden diese zu meinen Wegen. Das gilt auch beim Lernen. Hilfreich sind daher auch verschiedenste Formen der Aktivierung und Selbststeuerung.
Schließlich muss an dieser Stelle der Begriff der Bedeutsamkeit stark gemacht werden. Dabei geht es nicht um eine wie auch immer geartete Verzweckung von Inhalten. Vielmehr soll hervorgehoben werden, wie wichtig es ist, dass die Lernenden mit den Lerngegenständen in Kontakt kommen. Das, worum es im Unterricht geht, das Thema also muss sie in irgendeiner Weise angehen, eine Bedeutung für sie haben. Diese emotionale Besetzung kann positiv wie negativ sein. Wenn der Kontakt hergestellt ist, dann findet eine aktive Auseinandersetzung statt.
Didaktische Strukturen des Unterrichtswerks
Auf der Basis der dargestellten programmtischen Grundentscheidungen und didaktischen Maximen ergibt sich die Grundstruktur des Unterrichtswerkes.
Die Lernlandschaften orientieren sich am Doppelseitenprinzip, wobei die Doppelseiten (DS) als geschlossene Einheiten zu betrachten sind. Eine DS behandelt also ein in sich kohärentes Thema. Jede Lernlandschaft erhält eine Überschrift. Auch die DS erhalten eigene Überschriften.
Jede der Lernlandschaften (6 - 10 DS) weist drei Teile auf, wobei die einzelnen DS in Anlehnung an die Metapher der Lernlandschaft wie folgt benannt werden:
In den „Ausflugs“-DS werden sorgfältig und sparsam ausgewählte Materialien angeboten, wie z. B. Lieder, Bilder, Gedichte, Quellen- und Verfassertexte etc., die didaktisch begründet und methodisch aufgearbeitet sind. Sämtliche Medien sind mit Arbeitsaufträgen bzw. Lernimpulse versehen. Sie sind als also keinesfalls lediglich Illustrationselemente. Dies gilt insbesondere für Bilder, deren didaktische Dignität durch die Größe der Wiedergabe sowie deren Positionierung ausgewiesen ist.
Die DS erhalten Arbeitsaufträge, die als didaktische Schlüssel des Lernens verstanden werden. Dem Anliegen einer sachgemäßen Aufgabenkultur folgend sind alle Arbeitsaufträge als Handlungsimpulse („imperativisch“) formuliert und daher mit Operatoren versehen. Schülerinnen und Schüler werden eingeladen, in handelnder Weise mit dem jeweiligen Medium umzugehen. Eine unterschiedliche Reichweite der Arbeitsanregungen („kleinschrittig“ bis „Projekt“) ist möglich. Sie sind zum Teil gegliedert und können auch einleitende („narrative“) Formulierungen beinhalten.
Kompetenzorientierter Religionsunterricht darf nicht der Gefahr der kognitiven Engführung erliegen. Bei der inhaltlichen Ausrichtung der Arbeitsaufträge wurde daher darauf geachtet, dass im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten situativ angemessen die performative Dimension des Lernens zum Tragen kommt. Darin kommt zum Ausdruck, dass Religionsunterricht mehr leistet als das, was in Evaluationsverfahren als Ergebnis erhoben werden kann.
Die Gliederung der einzelnen Arbeitsanregungen erfolgt lediglich mit „Spitzmarken“, damit eine präjudizierende Hierarchisierung vermieden wird. Sie stehen nicht auch am unteren Ende einer Seite, sondern erscheinen optisch gewichtet und hervorgehoben positioniert auf der DS, den jeweiligen Medien zugeordnet. Geeignete Verweise auf zentrale Schlagwörter im Lexikonteil am Schluss des Buches bereichern das Lernangebot.
Als weiteres didaktisches Instrument wird mit der Neubearbeitung des Unterrichtswerkes ein Lerntagebuch eingeführt. Dieses dient dem Erwerb von Grundwissen durch nachhaltiges und aufbauendes Lernen, dem eigenverantwortliches und selbstständiges Arbeiten sowie insbesondere der Förderung der Metakognition. Im Schulbuch wird auf einer Doppelseite direkt nach dem Inhaltsverzeichnis das Lerntagebuch und die Arbeit damit prominent vorgestellt. In den Ausflügen (DS) der Lernlandschaften gibt es an geeigneten Stellen spezielle Aufträge, das Lerntagebuch zu bearbeiten. Diese erscheinen in einem spezifischen Format, das sie für die Lernenden unmissverständlich ausweist.
Das Lerntagebuch wird von den Schülerinnen und Schüler in einer Mappe selbst erstellt. Die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen diesen Lernprozess durch regelmäßige Impulse. Dafür werden ihnen im Kommentarband spezielle Kopiervorlagen zur Verfügung gestellt. Dort finden sich jeweils auch didaktische Hinweise.
Das Unterrichtswerk „mittendrin – Lernlandschaften Religion“ stellt einen Kanon ganzheitlicher Lernzugänge bereit, die sogenannten Lerngänge. Diese spezifischen Lerngänge sind dem Anliegen einer ästhetischen Grundbildung verpflichtet. Religionsunterricht ist immer auch Lernen mit allen Sinnen. Daher spiegeln die Lerngänge ästhetische Haltungen wider und ermöglichen deren Einübung. In jeder Lernlandschaft wird ein zentraler und entwicklungspsychologisch begründeter Lernzugang verfolgt. Folgende sieben Lerngänge werden benannt:
Lerngang |
~ Ästhetische Dimension |
Sehen |
~ Aspekte der Bilddidaktik |
Hören |
~ Hin- und Zuhören, Musik, Geräusche, Stille |
Sprechen |
~ Grundlagen einer Sprachschule |
Beten |
~ Gebetsschule, religiöse Erfahrungsräume eröffnen |
Begegnen |
~ soziales Lernen |
Darstellen |
~ Körperschule |
Gestalten |
~ haptisches Lernen |
In jedem der drei Bände des Unterrichtswerkes wird jeder der sieben Lerngänge mindestens einmal bedient. Die Lerngänge werden durch eigene Icons besonders hervorgehoben. Die verschiedenen Elemente der Lerngänge werden an entsprechender Stelle ausführlich konkretisiert.
Am Ende des Buches ist ein „Lexikon“ aufgenommen, in dem sich kurze Erläuterungen zu zentralen Schlagwörtern finden. Dieses Lexikon stellt ein spezifisches Medium dar. Schülerinnen und Schüler sind eingeladen, damit selbst organisiert zu arbeiten. In den Lernlandschaft selbst gibt es daher nur wenige Hinweise darauf.
Es ist eine der wesentlichen Prämissen der Bilddidaktik, dass jedes Kunstwerk eine eigene und hoch zu schätzende Dignität hat, die einen voreiligen und allzu schnellen religionsdidaktischen Zugriff verbietet. Aus diesem Grund ist das Bildprogramm des Unterrichtswerkes „mittendrin – Lernlandschaften Religion“ sorgfältig und sparsam zusammengestellt. Diese Wertschätzung auch Schülerinnen und Schülern gegenüber transparent zu machen, ist neben dem informativen Charakter die primäre Funktion eines zusätzlichen Bildlexikons. Dieses versammelt zu den abgedruckten Bildern prägnante Basisinformationen zu Künstlerinnen und Künstlern mit Angaben zur Entstehungszeit, Titel, Bedeutung sowie eine Einordnung des Kunstwerks.
Das Unterrichtswerk „mittendrin – Lernlandschaften Religion“ stellt neben den drei Doppeljahrgangsbänden (5/6, 7/8, 9/10) im Umfang von jeweils ca. 220 Seiten für die Lehrerinnen und Lehrer pro Doppeljahrgangsband ein Kommentarband zur Verfügung. Dieser enthält die wesentlichen konzeptionellen und didaktischen Grundsätze des Unterrichtswerkes. Zugleich bietet er in prägnanter Form didaktische Schlüssel zu den einzelnen Lernlandschaften, Ausflügen und Lerngängen. Damit wird den unterrichtspraktischen Bedürfnissen der Lehrerinnen und Lehrer Rechnung getragen. Neben zusätzlichen Arbeits- und Handlungsimpulsen werden auch kopierfähige Arbeitsblätter angeboten. Um lähmende Redundanzen zu vermeiden, ist eine sorgfältige und begrenzende Auswahl leitend.
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